Biofeedback vielleicht bald als Kassenleistung

Seit fast drei Jahren arbeite ich unter anderem auch für ein Mitgliedermagazin einer Betriebskrankenkasse. Wer sich mit dem Leistungskatalog der Kassen auseinandersetzt, wird feststellen, dass die eine oder andere den Nutzen der Herzratenvariabilität bereits erkannt hat.

Im Rahmen von Gesundheitstagen bieten sie in den Betrieben HRV-Messungen an. Oft werden sie einfach als Stress-Test angeboten und meist sind es Biofeedback-Geräte, mit denen die Messungen vorgenommen werden. Die Messung und Visualisierung der HRV-Werte dienen bei Biofeedback-Anwendungen als Grundlage.

Eine Pressemitteilung, die mich in den letzten Tagen erreicht hat, deutet darauf hin, dass das HRV-Engagement bei den Krankenkassen weitergeht.

Bislang musste die Biofeedback-Behandlung bei chronischen Kopfschmerzen aus eigener Tasche bezahlt werden. Die Ergebnisse aus dem Modellprojekt von der Deutschen Gesellschaft für Biofeedback e.V. (DGBfb) und der Krankenkasse BKK advita könnten dies ändern.

In dem Modellprojekt übernimmt die BKK advita die Behandlungskosten einer Biofeedback-Therapie bei Migräne oder Spannungskopfschmerzen in Höhe von bis zu 1.400 Euro pro teilnehmendem Versicherten. Die Betriebskrankenkasse finanziert bis zu elf Sitzungen bei einem Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten mit der Zusatzqualifikation “Biofeedbacktherapeut DGBfb”

Das auf zwei Jahre ausgelegte Modellprojekt läuft noch bis zum 31. Dezember 2016. Eine rege Inanspruchnahme ist gewünscht und wird auch gebraucht, denn bis zu 300 Teilnehmer werden benötigt, damit die Zusatzleistung mittelfristig in den Leistungskatalog aller gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird.

Migräne und chronische Formen von Kopfschmerz zählen zu den häufigsten und zugleich zu den drittteuersten neurologischen Erkrankungen. Wie jüngste Studien zeigen, gehören sie zu den häufigsten Gründen für Arztbesuche und stationäre Klinikaufenthalte und sind zu meist mit schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen verbunden. Allein im Jahr 2014 waren mehr als 15 Prozent aller Erwachsenen in der EU aufgrund ihrer Kopfschmerzen zeitweilig arbeitsunfähig. Nicht zuletzt leiden zunehmend auch immer mehr Kinder und Jugendliche unter chronischen Kopfschmerzen.

Biofeedback beruht auf der Erkenntnis, dass der Mensch jede biologische Funktion, die er wahrnimmt, beeinflussen kann. Es bietet sich als Methode an, bewusster mit den Belastungen des Alltags umzugehen. Lothar Niepoth, Präsident der DGBfb, München: „Mit unseren technischen Hilfsmitteln können wir unbewusst ablaufende biologische Vorgänge im menschlichen Körper messen und dem Patienten deutlich sichtbar machen. Durch die direkte Rückmeldung können so insbesondere Kopfschmerzpatienten eine Strategie erlernen, den Stressreaktionen, die in Zusammenhang mit Kopfschmerz stehen, entgegenzuwirken und die Erkenntnisse daraus bewusst auf ihren Alltag zu übertragen.“

Biofeedback hilft bei chronischen Kopfschmerzen

Wissenschaftliche Fachgesellschaften wie die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) und die International Headache Society (IHS) empfehlen in ihren Leitlinien Biofeedback als eine effektive nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeit bei Migräne und Spannungskopfschmerzen. Es profitieren vor allem Patienten mit Migräneschüben, die mehr als dreimal monatlich auftreten, mit einer Dauer von mindestens 72 Stunden oder die nur eingeschränkt auf eine medikamentöse Akuttherapie ansprechen. Mit einer Senkung der Migränehäufigkeit von 35 bis 45 Prozent im Mittel ist der Therapierfolg von Biofeedback genauso groß wie bei medikamentösen Therapien.

Ein Modellprojekt bietet der gesetzlichen Krankenversicherung die Möglichkeit, eine Leistung, die bislang nicht im Leistungskatalog enthalten ist, in der Praxis zu erproben. Zeigt der Modellversuch mit der Krankenkasse BKK advita positive Ergebnisse, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass langfristig alle gesetzlichen Krankenkassen Biofeedback bei Migräne und Spannungskopfschmerzen in ihren Leistungskatalog aufnehmen.

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